66 Kinder und Personal entgehen knapp einer Katastrophe
Beim Austritt von Kohlenmonoxid (CO) im Cartitas-Kindergarten „St. Magdalena“ Ebelsbach sind am Dienstag (9. Januar) sechs Menschen verletzt worden, darunter zwei Kinder und vier Betreuerinnen. Sie kamen nach Erstversorgung durch eine Notärztin und den Rettungsdienst in Kliniken. Dass das Unglück nicht weitaus dramatischere Folgen für die Gesundheit der im Gebäude befindlichen Personen hatte, ist dem schnellen und besonnenen Handeln des Kindergartenpersonals zu verdanken, das alle richtigen Schritte eingeleitet hatte. Die in dem Gebäude gemessenen Kohlenmonoxid-Werte hätten durchaus Potential für schwere oder gar tödliche Verletzungen haben können.
EBELSBACH - Um die Mittagszeit hatten zwei Erzieherinnen, die sich im Keller des Kindergartens befunden hatten, plötzlich über Übelkeit, Schwindel und Unwohlsein geklagt, wie Einrichtungsleiterin Nicole Bieber bestätigte. Anstatt dies auf die leichte Schulter zu nehmen, handelte das Personal besonnen und verantwortungsbewusst. Zunächst wurde der 2. Kommandant der Feuerwehr Ebelsbach, Sascha Schöpplein, telefonisch zu Hilfe gerufen, um sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen.
Er traf bereits nach wenigen Minuten am Kindergarten ein. Schon beim Betreten des Gebäudes im Erdgeschoss löste ein CO-Warngerät aus und zeigte einen Wert um die 200 ppm, was bereits ein Vielfaches von normaler Umgebungsluft ist. Anschließende Messungen im Keller des Kindergartens ergaben gar Werte von 1300 ppm.
Zu diesem Zeitpunkt hatte das Kindergartenpersonal bereits Fenster im Gebäude geöffnet, um für eine Durchlüftung zu sorgen. Zeitgleich wurden die insgesamt 66 anwesenden Mädchen und Jungen, die sich allesamt im Erdgeschoss in verschiedenen Gruppen befanden, aus dem Haus evakuiert und ins Freie gebracht. Natürlich wurde sofort auch die Feuerwehr und der Rettungsdienst über die Integrierte Leitstelle (ILS) Schweinfurt alarmiert. Aufgrund der zunächst unklaren Lage war man von einem Gasaustritt unbekannter Ursache ausgegangen.
Bereits nach wenigen Minuten trafen die Feuerwehren aus Ebelsbach und Eltmann mit einem Großaufgebot von Fahrzeugen und Einsatzkräften am Kindergarten ein. Die ersten Maßnahmen erstreckten sich auf eine Erkundung und die weitere Gefahrenabwehr. So wurde das Gebäude belüftet und ständig die Entwicklung der Gefahrstoffwerte in der Luft gemessen. Durch die effektiven Belüftungsmaßnahmen gingen die CO-Werte rasch zurück. Atemschutzträger waren in den Keller vorgedrungen, um nach einer möglichen Ursache für die hohe Kohlenmonoxid-Belastung in der Luft zu suchen.
Bis zum Ende des Einsatzes, der bis zirka 15:00 Uhr dauerte, war die exakte Ursache für das Ereignis noch nicht geklärt. Fest steht aber, dass entgegen erster Vermutungen, kein Erdgas ausgetreten ist. „Dafür gibt es keine Anhaltspunkte“, sagte Feuerwehr-Einsatzleiter Sascha Schöpplein auf Anfrage. Sowohl Messungen der Feuerwehr als auch kurz darauf die von einem Mitarbeiter des Bayernwerks hatten keine Erdgas-Werte in der Luft ergeben.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Ursache aller Wahrscheinlichkeit nach im Bereich der Heizanlage in einem Heizungsraum im Keller zu suchen ist. Am Nachmittag kam auch ein Kaminkehrer an den Einsatzort, um den Kamin und die Heizungsanlage zu überprüfen. Nach den Lüftungsmaßnahmen der Feuerwehr konnten gegen 14:00 Uhr keine erhöhten CO-Werte mehr in der Luft gemessen werden.
Während die Feuerwehr mit ihrer Arbeit am Caritas-Kindergarten in der Straße „Zum Nußacker“ zugange war, wurden die Mädchen und Jungen des Kindergartens von ihren Betreuerinnen und in Begleitung des Rettungsdienstes in die nur knapp 300 Meter entfernte kleine Turnhalle der Grund- und Mittelschule in die „Obere Heuernte“ gebracht. Der Direktor der Schule, Christian Terwart, hatte unbürokratisch sofort Hilfe angeboten und die Turnhalle für die Kleinen zur Verfügung gestellt, zumal es bei Außentemperaturen von minus zwei Grad Celsius sehr kalt war. „Das ist selbstverständlich, dass man da sofort seine Hilfe und Räumlichkeiten anbietet“, sagte der Schulleiter. Zeitgleich kümmerte sich Hausmeister Peter Große darum, dass für die Mädchen und Jungen Getränke bereitstanden.
In der Turnhalle konnten die Kinder erstmal zur Ruhe kommen und sich aufwärmen. Am Dienstag hatte nach den Weihnachtsferien wieder der erste reguläre Öffnungstag in der Kita stattgefunden. Die allermeisten Mädchen und Jungen waren trotz des Schreckens gut gelaunt und nur wenige ängstlich. Auch Eltern eilten nach und nach in die Schulturnhalle, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Allesamt mussten allerdings eine zeitlang in der Turnhalle verweilen, bis sie nach Hause entlassen werden konnten. Denn alle Kinder und Betreuerinnen wurden vom Rettungsdienst registriert und von einer Haßfurter Notärztin ärztlich gesichtet und untersucht, um Gefahren für deren Gesundheit nach möglichem Kontakt mit dem Kohlenmonoxid auszuschließen.
Am Dienstagmittag befanden sich nach Angaben von Einrichtungsleiterin Nicole Bieber 66 Mädchen und Jungen sowie 15 Angestellte in dem Gebäude. Insgesamt besuchen zu Spitzenzeiten 85 bis 95 Kinder die Einrichtung.
Nach dem ersten Schreck hatten sich Kinder und Personal in der Folge augenscheinlich recht schnell vom Eindruck des Geschehens erholt. Dass die Evakuierung so schnell und reibungslos geklappt hat, dürfte auch daran liegen, dass in dem katholischen Kindergarten erst im November 2023 im Rahmen einer Brandschutzübung eine Evakuierung geprobt worden war.
Während sich die dienstälteste Erzieherin Ulrike Metke in der Schulturnhalle um Kinder und Eltern sowie um logistische Belange kümmerte, stand Einrichtungsleiterin Nicole Bieber mit den Einsatzleitern von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei am Kindergarten im engen Austausch. Zeitgleich setzte sie über eine vom Kindergarten zur Kommunikation mit den Eltern genutzte App eine erste Lagemeldung über das Geschehen ab und bat darum, aufgrund des Vorfalls die Kinder zeitnah abzuholen. „Die Eltern haben gut reagiert, es ist zu keiner Panik gekommen“, sagte Bieber erleichtert.
Lukas Krapf, BRK-Einsatzleiter Rettungsdienst, hatte die Koordination des rettungsdienstlichen Einsatzes übernommen. Insgesamt befanden sich drei BRK-Rettungswagen aus Eltmann, Haßfurt und Ebern, ein Krankentransportwagen aus Haßfurt, eine Notärztin aus Haßfurt sowie ein Mannschaftstransportwagen der BRK-Bereitschaft Zeil am Einsatzort. Zur Messung einer möglichen Kohlenmonoxid-Belastung im Blut der Betroffenen wurde ein spezielles Messgerät von der BRK-Rettungswache Haßfurt an die Einsatzstelle gebracht.
Bei insgesamt sechs Betroffenen, vier Betreuerinnen im Alter von 29, 48 und 62 Jahren sowie zwei Kindern im Alter von sieben Jahren wurden erhöhte CO-Werte festgestellt, weshalb sie zur weiteren Untersuchung und Überwachung der Vitalfunktionen zunächst ins Krankenhaus Haßfurt eingeliefert wurden.
Weshalb es zu dem Kohlenmonoxid-Austritt gekommen ist, ermittelt nun die Polizei. Beamte der Polizeiinspektion Haßfurt waren mit vier Streifenwagen vor Ort. Der Bereich und die Straßen um den Kindergarten wurden für zirka zweieinhalb Stunden für den Verkehr gesperrt. Die Feuerwehr hatte die Straßen mit rot-weißem Trassierband gesperrt.
Vor Ort machte sich auch Ebelsbachs Bürgermeister Martin Horn ein Bild der Lage. Eine Unterstützung seitens der Gemeinde wurde jedoch nicht nötig. Ebenfalls waren zur Unterstützung der Feuerwehr mehrere Vertreter der Kreisbrandinspektion an die Einsatzstelle geeilt, darunter Kreisbrandrat Ralf Dressel und Kreisbrandinspektor Thomas Neeb. Die Feuerwehren aus Ebelsbach und Eltmann waren mit rund 30 Einsatzkräften vor Ort.
Die beim Eintreffen der Feuerwehr im Erdgeschoss (200 ppm) und im Keller (1300 ppm) gemessenen Werte an Kohlenmonoxid hätten bei einer längeren Einatmung durchaus gravierende gesundheitliche Schäden zur Folge haben können, im schlimmsten Fall sogar den Tod.
Kohlenmonoxid kommt in der natürlichen Luft zwar auch vor, jedoch in sehr geringen Konzentrationen. Die typischen Konzentrationen in der Atmophäre betragen 0,1 ppm. Bei 200 ppm kommt es beim Einatmen über einen Zeitraum von fünf bis zehn Minuten zu Kopfweh, Schwindel und Übelkeit; der Tod kann bei diesem Wert eintreten, wenn ein Mensch dieser Konzentration 25 bis 30 Minuten ausgesetzt ist. Bei einem Wert ab 800 ppm kann bei kontinuierlicher Einatmung der Tod sogar innerhalb von ein bis drei Minuten eintreten.
Insofern ist es dem schnellen und vorbildlichen Handeln des Kindergartenpersonals zu verdanken, dass es bei dem Unglück in Ebelsbach zu keinen schwerwiegenderen Folgen für Kinder und Personal gekommen ist. Die Einsatzkräfte von Rettungsdienst und Feuerwehr attestierten dem Personal vorbildliches Handeln. Auch Bürgermeister Martin Horn atmete angesichts des doch relativ glimpflichen Ausgangs auf: „Die Evakuierung hat prima geklappt, die Feuerwehr war schnell zur Stelle.“ Zum Glück habe es keine schwerwiegenderen Folgen gegeben.
Stichwort: Kohlenmonoxid
Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, geruchloses und toxisches Gas, das bei unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Materialien entsteht, wie zum Beispiel bei der Verbrennung von Holz, Gas oder Öl.
Wenn Menschen Kohlenmonoxid einatmen, bindet es sich mit dem Hämoglobin im Blut und bildet eine Verbindung namens Carboxyhämoglobin. Dadurch wird der Transport von Sauerstoff im Blut stark beeinträchtigt, da das Kohlenmonoxid die Sauerstoffbindung verdrängt. Das führt zu einer schlechteren Sauerstoffversorgung der Gewebe und Organe.
Die Auswirkungen einer Kohlenmonoxid-Vergiftung können je nach der Menge des eingeatmeten Gases und der Dauer der Exposition variieren. Symptome einer leichten Vergiftung können Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Müdigkeit und Verwirrung sein. Bei einer moderaten Exposition (mittlere Konzentrationen) können Herzrhythmusstörungen und Brustschmerzen auftreten. Bei schwerer Exposition (hohe Konzentrationen) kommt es zu Bewusstseinsverlust, Krampfanfällen, Atemstillstand und gar zum Tod.
Die Gefahren von Kohlenmonoxid sind besonders hoch in geschlossenen Räumen, in denen unvollständige Verbrennung stattfinden kann, wie beispielsweise in Wohnungen mit defekten Heizungsanlagen oder in geschlossenen Garagen mit laufenden, motorbetriebenen Fahrzeugen. Sind Räume mit Kohlenmonoxid belastet, müssen sie ausreichend belüftet werden, um das Risiko einer Vergiftung zu minimieren. Ein Kohlenmonoxid-Melder kann als Schutzmaßnahme dienen, um frühzeitig vor erhöhten Kohlenmonoxid-Konzentrationen zu warnen. Deshalb tragen Feuerwehrleute und auch der Rettungsdienst bei Einsätzen stets solche Warnmelder mit sich.
Die Konzentration von Kohlenmonoxid wird in der Regel in Teilen pro Million (ppm = Englisch für: parts per million) gemessen und angegeben. Das bedeutet, dass der Messwert angibt, wie viele Moleküle Kohlenmonoxid pro eine Million Moleküle Luft vorhanden sind.
Text & Fotos: Michael Will / BRK