Rettungshunde schweben durch die Luft und fahren im Boot
„Käptn“ schaut etwas verdutzt, als ihm sprichwörtlich der Boden unter den Pfoten entzogen wird. Sekunden später hängt der sieben Jahre alte Vierbeiner gemeinsam mit seiner Hundeführerin Bianca Herz an einem Sicherungsgeschirr rund sechs Meter über dem Asphalt. Stückchen für Stückchen wird das Tandem schließlich von einer Dachterrasse nach unten in den Hof abgeseilt. Diese Übung ist eine von insgesamt sechs, die im Rahmen eines Fachdienstlagers der unterfränkischen BRK-Rettungshundestaffeln zu absolvieren war.
WONFURT / HASSFURT - Ausgerichtet hat das Fachdienstlager, das unterfrankenweit im Turnus von zwei Jahren stattfindet, dieses Mal die Rettungshundestaffel des BRK-Kreisverbandes Haßberge. Rund 60 Hundeführerinnen und Hundeführer und ebenso viele Rettungshunde aus den Staffeln der BRK-Kreisverbände Haßberge, Bad Kissingen, Rhön-Grabfeld, Kitzingen, Main-Spessart und Aschaffenburg haben am ersten September-Wochenende daran teilgenommen. Die Kollegen der Staffel aus dem KV Würzburg waren leider verhindert.
Rund um den Hundetrainingsplatz in Wonfurt hatten die Teams ihre Zelte aufgeschlagen und starteten ihr Fachdienstlager, das von Freitagabend bis zum Sonntagnachmittag dauerte, mit einem Fachvortrag zum Thema Mantrailing, den Brigitte Fiedler von der Staffel Haßberge vorbereitet hatte. Neben dem Gemeinschaftssinn und dem gegenseitigen Austausch von Ausbildern stand bei dem Fachdienstlager vor allem das übergeordnete Training und das Zusammenspiel unterschiedlicher Teams im Vordergrund, wie Bianca Herz, Leiterin der BRK-Rettungshundestaffel Haßberge, berichtete.
Den Mittelpunkt des Fachdienstlagers bildete am Samstag ein (Einsatz-)Training, bei dem die Teams unterschiedliche Szenarien trainierten. Dabei waren die Teams aus allen Staffeln untereinander gemischt, um sich einerseits besser kennen zu lernen und um andererseits das Verhalten der Rettungshunde untereinander zu beobachten. Insgesamt sechs Stationen wurden vom Vormittag bis in den späten Nachmittag hinein in einer Art Parcours absolviert. Fünf Stationen waren rund um den Hundeplatz bzw. im Industriegebiet von Wonfurt angesiedelt, eine weitere befand sich am Gerätehaus der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Haßfurt.
Dort wurde das Abseilen von Hund und Hundeführer trainiert. Von der Dachterrasse des Gerätehauses aus wurden die Teams in einem Abseilgeschirr gesichert und dann mehrere Meter nach unten auf den Boden abgelassen. Bei der Übung stand vor allem das Vertrauen des Hundes zu seinem Hundeführer bzw. seiner Hundeführerin im Vordergrund. Überraschend gelassen ließen die Vierbeiner den Seil-Akt über sich ergehen und zeigten nur wenig Aufregung. Befestigt waren die Teams über eine Umlenkrolle an der Drehleiter der Feuerwehr, vom Boden aus sicherten mehrere Feuerwehrleute die in der Luft schwebenden Tandems aus Mensch und Tier und seilten sie mit Muskelkraft sicher auf den Boden ab.
Nicht nur für „Käptn“, den Rettungshund von Bianca Herz, war die Abseilübung die erste ihrer Art. „Das hat richtig Spaß gemacht“, berichtet die Staffelleiterin wieder mit sicherem Boden unter den Füßen. Spannend war für sie ebenso, wie der Große Münsterländer Mix reagiert, wenn er plötzlich in die Luft gezogen und dann abgeseilt wird. „Ich war gespannt, wie mein Hund reagiert“, sagt Herz. „Er war total ruhig, hat nicht einmal gezuckt.“ Hier zeigt sich das perfekte Zusammenspiel zwischen Mensch und Tier und vor allem das Vertrauen des Rettungshundes in seine Besitzerin. Mit seinem ausgeglichenen Wesen ist „Käptn“ auch nach der Hängepartie offenkundig ganz und gar nicht aufgeregt.
Die Kommunikation mit dem Hund und das Reagieren auf Blickkontakt stehen bei einer anderen Station im Mittelpunkt. Erfahrene Ausbilderinnen und Ausbilder beobachten die Interaktion zwischen Hund und Mensch und geben Tipps zur Vertiefung der Bindung zwischen beiden. Dabei ist auch das gemeinsame Spiel ein wichtiger Punkt.
Verschiedene Opferbilder werden an Station 3 simuliert, um die Hunde auf verschiedene Szenarien bei möglichen Einsätzen vorzubereiten und sie auch mal mit neuen Eindrücken zu konfrontieren. Wenn Flächenhunde bei Realeinsätzen zum Beispiel nach vermissten Personen suchen, werden die Vierbeiner mit ihrem Hundeführer in ein zuvor festgelegtes Suchgebiet geschickt. Dort erhält der Rettungshund dann den Befehl, nach hilflosen und sich möglicherweise nicht mehr bewegenden Personen zu suchen – in unwegsamen Gelände, bei jedem Wetter und egal ob Tag oder Nacht. Der Hund sucht dann selbstständig nach einem zuvor antrainierten Muster das Gebiet ab. Findet er eine Person, die scheinbar hilflos ist, zeigt er diese seinem Hundeführer durch lautes Bellen an. Dabei bellt der Vierbeiner so lange, bis der Hundeführer bei ihm ist und die Person gesichtet hat.
Bei der Station wurden für die Flächensuchhunde eher außergewöhnliche Szenarien simuliert, um zu sehen, ob sie auch auf diese entsprechend reagieren. So musste beispielsweise eine in einer Hängematte versteckte Person ebenso angezeigt werden, wie eine am Boden liegende und durch einen Tarnanzug nicht sichtbare. Des Weiteren mussten die Hunde eine hilflose Person im Rollstuhl anzeigen, um die verschiedene Flaschen mit stark riechendem Alkohol verteilt waren. Die Mantrailer durften von dieser Station aus eine Spur (Trail) zur nächsten Station verfolgen.
Erste Hilfe sowie Erste Hilfe am Hund wurde bei zwei weiteren Stationen geschult. Hier waren ausnahmsweise nicht die Hunde, sondern deren Halter gefordert. Während an der einen Station kleinere Wunden – beispielsweise an Pfoten – der Hunde versorgt und verbunden werden mussten und unter fachkundiger Expertise zweier Tierärztinnen Wissen zur Ersten Hilfe beispielsweise bei Hitzeschlag, Verbrennungen, Allergien des Hundes etc. abgefragt wurden, galt es bei der anderen schwer verletzte Waldarbeiter zu versorgen, von denen einer eine offene Unterschenkelfraktur mit spritzender Blutung und der andere eine Pfählungsverletzung durch einen Ast im Oberschenkel hatte.
Unter den geschulten Augen der beiden Ausbilder Sascha Pataky und Franz Männling vom BRK-Kreisverband Haßberge leisteten die Hundeführerinnen und Hundführer professionelle Erste Hilfe. Wertvolle Tipps gab es hier auch von Bezirksbereitschaftsleiterin Siggi Höfer, die - ebenso wie Pataky und Männling - selbst im Rettungsdienst arbeitet. Die beiden Mimen wurden von Anni Schleelein, Mitglied des Teams „Realistische Unfalldarstellung“, geschminkt und deren Verletzungen realitätsnah dargestellt.
Die Elemente Erde und Wasser gingen bei der letzten Station eine Symbiose ein. Am Main wurde gemeinsam mit der BRK-Wasserwacht Haßfurt einerseits das Auffinden einer am Uferrand im Wasser liegenden Person trainiert, andererseits stiegen die Hunde mit ihren Besitzern in ein kleines Rettungsboot. Dann ging es mit Bootsführer Dieter Stecher am Steuer in rasanter Fahrt von Wonfurt aus, vorbei an Wülflingen, flussaufwärts bis zur Anlegestelle bei der Volkshochschule Haßfurt, wo die Rettungsteams wieder an Land gingen.
Die Teams hatten bei dem Stationslauf sichtlich nicht nur viel Spaß, sondern haben für mögliche Einsatzszenarien wieder Neues dazugelernt und sind so für künftige Anforderungen bestens gerüstet. Bei der BRK-Rettungshundestaffel Haßberge sind derzeit 23 Rettungshunde im Einsatz, davon sechs geprüfte Flächensuchhunde und vier Mantrailer. 13 Hunde befinden sich in Ausbildung. Die Staffel, die über 18 Hundeführerinnen und Hundeführer sowie vier Anwärter verfügt, wird im Jahr rund 30- bis 50-mal zu Einsätzen alarmiert.
Text & Fotos: Michael Will / BRK